Lebenshilfe

Am 22.03.2008, 23:37:38 Uhr schrieb Jürgen Jankowitsch

PEE WEE ELLIS SIEGLEHAUS STUTTGART 20.03.2008 LIVE REVIEW

 

Pee Wee Ellis Assembly - Siegle-Haus 20.03.2008

Nach dem "Neuen Herzen Europas" nun auch noch das "Boomtown Jazz Festival" - muss die gleiche Agentur erfunden haben - sensationell!

Wirklich toll ist jedoch, dass das Siegle-Haus wieder als Konzertort reanimiert wurde. Einige meiner ersten und einige der denkwürdigsten Konzerte, auf denen ich überhaupt war (Motörhead, Dead Kennedys), fanden im Siegle-Haus statt.

Da ich Besitzer einer Ampeg-Kassette bin, die während des Soundchecks von Thin Lizzy 1975 im Siegle-Haus mitgeschnitten wurde und weil ich Mitte der 80er Jahre auch tolle Platten auf Plattenbörsen im Siegle-Haus erstanden habe und weil mir alte Musikveteranen erzählt haben, was und wer da in den 70 er Jahren alles gespielt hat (haben soll), ist das Siegle-Haus für mich so etwas wie der Stuttgarter Bökelberg oder das Stuttgarter Stadion an der Grünwalder Strasse.

Ich wollte also allein schon wegen dem Siegle-Haus mal wieder ins Siegle-Haus, aber natürlich auch wegen Pee Wee Ellis, den ich doch vor allem als Ringmaster und Arrangeur Van Morrisons zu schätzen gelernt habe.

Pee Wee Ellis wurde 1941 in Florida geboren und hat das Saxofonspielen von Sonny Rollins höchstpersönlich gelernt, der ihm Ende der 50er Jahre Übungsstunden gab. Von 1965 bis 1969 spielte Ellis bei James Brown und hat dort den Funk zumindest miterfunden. Von „Cold Sweat" bis „Say it loud, I'm black and I'm proud", Pee Wee Ellis war maßgeblich mit daran beteiligt und gehörte zu den „Hardest Working Men" im Showbiz überhaupt.

In den 70er Jahren war er hauptsächlich Arrangeur und Musical Director bei CTI-Kudu, bevor dann erstmalig für 6 Jahre bei Van Morrison landete, um nach 10 Jahren Unterbrechung dann nochmals für 5 Jahre mit Morrison zu arbeiten.

Zwischendurch und nebenher gab es immer wieder Kollaborationen mit seinen alten Spezis Fred Wesley, Maceo Parker, Bobby Byrd und eben seine Solokarriere ab 1992.

Die „Pee Wee Ellis-Zusammenkunft" trat als Sextett auf: Schlagzeug, Gitarre, E-Piano/Keyboard, Bass sowie Ellis und ein zweiter Saxofonist. Die erste Stunde geriet ziemlich zerfahren und wenig originell. Besonders der Schlagzeuger Guido May und der Bassist Patrick Schales gingen dabei übermotiviert zu Werke und entpuppten sich als nervige Vielspieler. Besonders die Slapeinlagen des Bassisten waren unsäglich.

Aber so ist das eben oft, wenn technisch hochklassige Musiker auf einer Bühne stehen, die mal heute mit Pee Wee Ellis spielen und morgen mit wem auch immer. Weniger wäre mehr, in diesem Falle viel mehr. Auch Pee Wee Ellis überzog für meinen Geschmack von Beginn an und war auch in der Lautstärkenbalance viel zu laut gemischt. Alles in allem recht seelenlose Solis, die ohne große Vorbereitung immer schnell angezogen wurden.

Fast schon lustig, war das erste Schlagzeugsolo, was mich an Superdrumming mit Ian Paice erinnerte. Aber es gab auch ein paar schöne E-Piano-Solos und ein paar tolle doppelte Saxofonläufe. Es war auch nicht wirklich schlecht, aber auch nicht gut -durchschnittlicher Jazzfunkrock oder Fusion eben, mit wenigen Highlights!

Dem höflichen Publikum im Siegle-Haus hat's gefallen, es wurde selbstverständlich bei jedem Solo applaudiert. Kann man das eigentlich nicht mal gesetzlich verbieten, dieses saudoofe Klatschen, nach jedem noch so platten Solo?

Nach einer Stunde wurde dann der klassische jazzige Anteil an Improvisation deutlich zu Gunsten von geradlinigeren Songstrukturen abgebaut. Und siehe da, plötzlich begann das Ganze mehr zu atmen. Die letzte dreiviertel Stunde entschädigte dann doch einigermaßen, vor allem kam Ellis dabei sehr sympathisch rüber -aber es fehlt ihm einfach an eigenen guten Songs, denn da mussten dann hauptsächlich alte James Brown-Nummern herhalten.